Stress und Schmerz: Wie man den Teufelskreis durchbricht

Im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe: „Was Sie schon immer wissen wollten über…”, ¹) haben wir uns im April mit dem Thema Stress und Schmerz beschäftigt.
Lesen Sie hier mehr über diese Verbindung.

Stress und Schmerz sind zwei Zustände, die jeder schon einmal im Laufe seines Lebens erlebt hat. Obwohl sie auf den ersten Blick unterschiedlich erscheinen, gibt es eine enge und komplexe Beziehung zwischen ihnen. Basierend auf den Erkenntnissen der Deutschen Schmerzgesellschaft und unserer mehr als 23-jährigen Erfahrung mit Schmerz-Patientinnen und Patienten erläutern wir, welche Mechanismen dabei eine Rolle spielen.
Vor allem aber möchten wir Sie ermutigen, trotz Stress und Schmerz körperlich aktiv zu werden. Wir haben daher am Ende einige Empfehlungen zusammengestellt, die Ihnen in einer stressigen und/ oder schmerzhaften Phase helfen.

Definitionen und Grundlagen

Stress ist eine Reaktion des Körpers auf Herausforderungen oder Belastungen, die als Stressoren bezeichnet werden. Diese können physischer, emotionaler oder sozialer Natur sein. Stressfaktor Nummer 1 ist laut einer Umfrage der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2021 die Unzufriedenheit am Arbeitsplatz. Weitere typische Stressoren sind Zeitdruck, finanzielle Sorgen, familiäre oder gesundheitliche Probleme. Stress aktiviert das autonome Nervensystem und führt zur Freisetzung von Hormonen wie Adrenalin und Cortisol, die den Körper in einen Zustand erhöhter Wachsamkeit versetzen.

Schmerz ist ein unangenehmes sensorisches und emotionales Erlebnis, das mit tatsächlichem oder potentiellem Gewebeschaden verbunden ist. Es gibt  akuten Schmerz, der plötzlich auftritt und oft eine klare Ursache hat (z. B. eine Verletzung) und den chronischen Schmerz, der länger als drei Monate anhält und auch dann bestehen kann, wenn die ursprüngliche Verletzung oder Erkrankung bereits abgeheilt ist.

Die Wahrnehmung von Schmerz ist subjektiv und wird durch verschiedene Faktoren wie Stimmung, Aufmerksamkeit und frühere Schmerzerfahrungen beeinflusst.

Erfahren Sie mehr zum Thema SCHMERZ und SCHMERZVERSTÄNDNIS in unserem YouTube Video mit Dr. Michael Richter.

Stress und Schmerz beeinflussen sich gegenseitig in vielfältiger Weise.

Stress als Schmerzverstärker

  1. Physiologische Mechanismen:

Durch Stress wird das sympathische Nervensystem aktiviert und  Stresshormone wie Cortisol als auch Adrenalin freigesetzt. Diese Hormone können die Schmerzempfindlichkeit erhöhen, indem sie das Nervensystem sensibilisieren. Chronischer Stress kann zu einer dauerhaften Überaktivierung dieser Mechanismen führen und damit die Schmerzwahrnehmung verstärken.

  1. Entzündungsprozesse:

Stress kann Entzündungsreaktionen im Körper fördern. Entzündungen sind ein zentraler Faktor bei vielen Schmerzerkrankungen wie rheumatoider Arthritis *) und Migräne. Durch die Förderung entzündlicher Prozesse kann Stress bestehende Schmerzen verschlimmern oder neue Schmerzepisoden auslösen.

  1. Muskelverspannungen:

Stress verursacht oft Muskelverspannungen, insbesondere in Bereichen wie dem Nacken und dem Rücken. Diese Verspannungen können zu chronischen Schmerzen führen, da die kontinuierliche Anspannung der Muskeln die Durchblutung beeinträchtigt und Schmerzen verursacht.

Kleiner Exkurs: 
Bis heute läuft die Stressreaktion im Körper so ab wie in grauer Vorzeit. Nur war diese Reaktion für den Urmenschen absolut sinnvoll, weil sie sein Leben sicherte. 
Das Gehirn eines Menschen im 21. Jahrhundert sendet nach wie vor die gleichen Stresshormone durch den Körper und bereitet ihn so weiterhin auf Kampf oder Flucht vor.

Schmerz als Stressauslöser

  1. Psychische Belastung:

Chronische Schmerzen können erhebliche psychische Belastungen verursachen. Menschen mit chronischen Schmerzen erleben häufig Angst und Frustration und entwickeln depressive Phasen, was zu einem Teufelskreis aus Schmerz und Stress führen kann. Diese psychische Belastung kann die Schmerzwahrnehmung weiter verstärken.

  1. Einschränkung der Lebensqualität:

Schmerz beeinträchtigt die Lebensqualität erheblich. Aktivitäten des täglichen Lebens werden erschwert, was zu sozialer Isolation und Verlust von Freude an früheren Aktivitäten führt. Derlei Einschränkungen können zusätzlichen Stress verursachen und die psychische Gesundheit weiter belasten.

Multimodale Schmerztherapie gegen den Teufelskreis aus Stress und Schmerz

Das Verständnis dieser Wechselbeziehung ist entscheidend für eine effektive Schmerzbewältigung und Stressreduktion.

Daher hebt die Deutsche Schmerzgesellschaft die Bedeutung ganzheitlicher Ansätze hervor, weil sie sowohl physische als auch psychische Aspekte berücksichtigen.

Die multimodale Schmerztherapie verbindet alle Aspekte, um diesem Teufelskreis zu entkommen. Im Mittelpunkt stehen die Patienten. Mit ihnen arbeiten Ärzte, Psycho- sowie Physio- und Sporttherapeutinnen und -therapeuten eng zusammen. Gemeinsam entwickeln sie einen mehrwöchigen Therapieplan, der drei Bereiche einschließt:

  • Medizinische Behandlung inklusive Medikamente
  • Physiotherapie
  • Psychotherapie.

Die Fachleute tauschen sich während der multimodalen Therapie regelmäßig aus und berichten dabei häufig von überraschend schnellen Erfolgen. Bereits nach wenigen Tagen stellen Betroffene vielfach bei sich fest, dass die Stressreduktion auch den Schmerz mindert.

Durch das Erlernen von Stressmanagementtechniken im Alltag wird der Teufelskreis aus Stress und Schmerz durchbrochen und eine bessere Lebensqualität erreicht.
Praktische Tipps zur Bewältigung von Stress und Schmerz
  1. Regelmäßige Bewegung:

Körperliche Aktivität versetzt Sie in die Lage, Stress abzubauen und Schmerzen zu lindern, da Bewegung die Freisetzung von Endorphinen, die natürliche Schmerzmittel des Körpers sind, freisetzt. Bereits 20 Minuten lockeren Laufens reichen aus, um den Dopaminspiegel (als Glückshormon bekannt) ansteigen zu lassen.

  1. Achtsamkeit und Meditation:

Methoden zur Stressbewältigung wie Achtsamkeit, Meditation und kognitive Verhaltenstherapie haben sich als effektiv erwiesen, um den Geist zu beruhigen und gezielt abzulenken und gleichzeitig die Schmerzwahrnehmung und -intensität zu reduzieren. Diese Techniken helfen, die Schmerztoleranz zu erhöhen und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern.

  1. Gesunde Ernährung:

Eine ausgewogene Ernährung mit entzündungshemmenden Lebensmitteln kann den Körper widerstandsfähiger gegen Stress machen. Omega-3-Fettsäuren, Antioxidantien und Vitamine spielen dabei eine wichtige Rolle.

  1. Soziale Unterstützung:

Soziale Interaktionen und Unterstützung durch Freunde und Familie sind wichtig, um Stress zu reduzieren und emotionale Unterstützung zu bieten. Starke soziale Bindungen können helfen, besser mit Schmerzen umzugehen.

  1. Professionelle Hilfe:

Bei chronischem Stress und Schmerz kann professionelle Hilfe notwendig sein. Therapeuten, Schmerzkliniken und Selbsthilfegruppen bieten individuelle Strategien zur Bewältigung und Unterstützung.

Anti-Stress-Techniken helfen nicht nur bei der Bewältigung der Schmerzen, sondern können darüberhinaus auch der Entstehung vorbeugen.
Fazit

Stress und Schmerz sind eng miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegenseitig. Folglich kann chronischer Stress Schmerzen verstärken, während anhaltende Schmerzen zu erheblichem Stress führen können. Das Verständnis dieser Wechselbeziehung ist entscheidend für eine effektive Schmerzbewältigung und Stressreduktion.

Um den Teufelskreis aus Stress und Schmerz zu durchbrechen, ist es wesentlich, dass wir unser Wissen entsprechend erweitern und Lösungswege erlernen. Dies sorgt langfristig für mehr Lebensqualität.


Weiterführende Informationen und Quellen:
¹) In unserer Veranstaltungsreihe: Was Sie schon immer wissen wollten über..., finden Sie noch viele weitere interessante Themen. Informieren Sie sich hier und nutzen Sie die Möglichkeit der kostenlosen Teilnahme.

Deutsche Schmerzgesellschaft Flyer: Schmerzen verstehen

Patienteninformation.de Patientenleitlinie Kreuzschmerz

Bewegung & Neuroplastizität: Das Gehirn – kein Muskel und doch unglaublich trainierbar

Blogbeitrag: Ihr Weg aus den Rückenschmerzen – Der Ratgeber in Buchform 

*) Blogbeitrag: Rheuma – Eine Buchvorstellung Rheuma – Wissen statt Mythen – rheumatische Erkrankungen verstehen und in den Griff bekommen von Dr. med. Peer Aries

Autor: Carina Mallwitz

Redaktion Rückhalt I Der Blog vom Rückenzentrum

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