Sie fühlen sich im Job häufig erschöpft, gönnen sich selten eine Pause, haben das Gefühl, zu kurz zu kommen und sind für alle anderen da, nur nicht für sich selbst? Bemerken Sie körperliche Anzeichen wie Verspannungen, Konzentrationsprobleme oder Dünnhäutigkeit?
Dann haben Sie vielleicht einen „Selbstfürsorge-Error“ – sorgen also im Berufsalltag zu wenig für sich.
Definition von Selbstfürsorge
Hören Menschen das Wort Selbstfürsorge, denken viele von ihnen an ein Schaumbad oder ein Wellnesswochenende im Hotel. Doch Selbstfürsorge umfasst viel mehr und sollte vor allem nachhaltig betrieben werden.
Was aber heißt eigentlich „Selbstfürsorge“?
Um es mit den Worten von Brianna Wiest¹) zu sagen: „Wahre Selbstfürsorge ist nicht Schokokuchen und Badewanne. Es ist die Entscheidung dazu, sich ein Leben zu gestalten, aus dem man nicht andauernd fliehen muss.“
Für ein noch besseres Verständnis der Relevanz von Selbstfürsorge, kann die folgende Geschichte vom Holzfäller hilfreich sein.
„Ein Spaziergänger trifft in einem Wald auf einen Holzfäller, der mühsam versucht, mit seiner stumpfen Axt einen Baum zu fällen. Er tritt an ihn heran und fragt „Aber guter Mann, Ihre Axt ist ja ganz stumpf. Warum schärfen Sie sie denn nicht?” Darauf antwortet der Arbeiter: „Dafür habe ich keine Zeit, ich muss doch den Baum fällen…!” (Unbekannter Autor)
Ziel der Selbstfürsorge
Das vordergründige Ziel von selbstfürsorglichem Verhalten im Berufsalltag ist, achtsamer sowie mitfühlender mit sich zu sein und handlungsfähig zu bleiben. Im besten Falle können Sie auf diese Art Stresserleben vermeiden und auch Stress besser bewältigen. Zudem kann Selbstfürsorge dazu führen – um im Bild des Holzfällers zu bleiben – dass Ihnen die Arbeit „leichter von der Hand“ geht. Ganz wichtig: Selbstfürsorge meint NICHT Selbstoptimierung und Effizienzsteigerung. Und Selbstfürsorge sollte auch keine Nebensache sein oder mit Egoismus verwechselt werden. Selbstfürsorge ist logisch und notwendig, um gesund und zufrieden zu bleiben.
Tipps für mehr Selbstfürsorge im Berufsalltag
Zunächst kann es sich schon für Sie lohnen, sich Zeit für die Frage „Gehe ich selbstfürsorglich mit mir um?“ zu nehmen. Sowohl auf den Arbeitsalltag, aber natürlich auch auf Ihr Leben allgemein bezogen. In Ihrem Buch „Das Prinzip Selbstfürsorge“ hat Dr. Reichhart²) genau zu dieser Frage eine Checkliste erstellt.
Auf Dr. Reichharts Checkliste (Das Prinzip der Selbstfuersorge/ Checkliste.pdf) können Sie online kostenfrei zugreifen.
Nicht selten finden Menschen bei sich Glaubenssätze wie zum Beispiel „Selbstfürsorge muss ich mir verdienen“ oder „Erst für die anderen sorgen, dann komme ich“. In die Selbstreflexion zu gehen, ist häufig der erste Schritt in die Veränderung.
Wichtig ist aber auch, dass Selbstfürsorge im Arbeitsleben nicht nur ein individuelles Thema sein sollte. Auch auf institutioneller Ebene bedarf es entsprechender Rahmenbedingungen und Modelle. Beispielsweise ist relevant, inwiefern in Führungspositionen Selbstfürsorge vorgelebt wird.
Doch nun ganz konkret:
Was können Sie in Ihrem Arbeitsalltag tun, um selbstfürsorglicher mit sich umzugehen?
Bereits kurz vor bzw. auf dem Weg zur Arbeit gibt es Möglichkeiten, Selbstfürsorge zu praktizieren. So können Sie sich vor dem Weg zur Arbeit folgende Fragen stellen:
- Was nehme ich mir heute zum Essen und Trinken mit?
- Welche Themen möchte ich heute zu Hause lassen, um mich erst nach der Arbeit wieder damit zu beschäftigen?
- Was mache ich als Erstes, wenn ich meinen Arbeitsplatz erreiche?
Was können Sie konkret während der Arbeitszeit tun, um selbstfürsorglicher mit sich umzugehen?
- Sich Pausen nehmen und diese bewusst gestalten: Möchten Sie Ihre Pause bewusst mit einem Ortswechsel verbinden? Um auch wirklich eine Pause zu machen, kann es auch hilfreich sein sich mit Kollegen zu verabreden.
- Nehmen Sie zwischen Ihren Arbeitsterminen bewusst ein paar tiefe Atemzüge (z. B. können Sie einmal bis zur 10 die Atemzüge mitzählen)
- Achten Sie im Arbeitsalltag doch einmal ganz besonders auf die Momente, die Sie erfreuen, in denen Ihnen etwas Interessantes oder Angenehmes passiert.
- Tauschen Sie sich mit Kollegen und Vorgesetzten aus, wenn Sie sich überlastet/ überfordert fühlen.
- Nehmen Sie sich im Arbeitsalltag immer mal wieder einen kurzen Moment zum Innehalten und stellen Sie sich folgende Fragen: Wie ist meine Stimmung gerade? Welche Gedanken gehen mir durch den Kopf? Welche Gefühle kann ich gerade bei mir wahrnehmen? Welche Körperempfindungen kann ich gerade wahrnehmen?
Beim Übergang von der Arbeit in den Feierabend können folgende Fragen hilfreich sein:
- Was tue ich als Letztes, bevor ich meinen Arbeitsplatz verlasse?
- Was möchte ich heute bei der Arbeit lassen, um mich damit erst am nächsten Arbeitstag wieder zu beschäftigen?
- Mit welcher Stimmung möchte ich heute zu Hause ankommen? Und womit kann ich mich auf dem Heimweg beschäftigen, um in diese Stimmung zu kommen?
Fazit
Denken Sie daran: Selbstfürsorge ist ein sehr individuelles Thema und jeder Arbeitskontext bringt andere Herausforderungen und Möglichkeiten mit sich. Sie dürfen schauen, was für Sie persönlich im Arbeitsalltag gut funktioniert, um Ihre Axt zu schärfen.
¹) Brianna Wiest ist eine US-amerikanische Autorin von psychologischen Schriften zur Lebensführung.
²) Dr. med. Tatjana Reichhart ist approbierte Ärztin und Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie.
Autorin:
Unser Dank gilt Theresa Gerber Psychologin (M. Sc.)/ Systemische Beraterin (SG) im Rückenzentrum Am Michel, die uns diesen Beitrag freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.
Weiterführende Literatur zum Thema Selbstfürsorge:
- Glaßmeyer, A. (2023). Selbstfürsorge – dein Anker in turbulenten Zeiten: Wie du dich selbst nicht vergisst und deine Herausforderungen besser meisterst. Hannover: Humbold-Verlag.
- Hantke, L. (2019). Ausgangspunkt Selbstfürsorge: Strategien für den psychosozialen Alltag. Paderborn; Junfermann-Verlag.
- Murri, F. (2019). Die 7 Geheimnisse des liebevollen Umgangs mit sich selbst. München: Integral-Verlag.
- Reichhart, T. (2019). Das Prinzip Selbstfürsorge. Wie wir Verantwortung für uns übernehmen und gelassen und frei leben. München: Kösel-Verlag.
Ein Tipp in eigener Sache:
Vielleicht haben Sie ja auch Lust, unseren Beitrag: Gemeinsam gesund! zu lesen. Darin finden Sie zahlreiche Tipps, wie Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam für ein gesundes Arbeitsklima sorgen können.