Sarkopenie – Wenn die Muskelkraft nachlässt

Sarkopenie? Den Begriff Osteopenie mag die eine oder der andere schon gehört haben, dabei handelt es sich um die Vorstufe der Osteoporose, einer Störung im Knochenstoffwechsel mit verminderter Knochendichte. Aber Sarkopenie? Hier liegt der Fokus auf den Muskeln. Lesen Sie im Folgenden, was Sarkopenie ist, wie sie festgestellt werden kann und wie die empfohlene Therapie aussieht.

Was ist Sarkopenie?

Sarkopenie ist eine progressive, also fortschreitende, Erkrankung der Muskulatur. Sie betrifft in erster Linie ältere Menschen, kann aber auch bei jüngeren Personen auftreten. Eine Arbeitsgemeinschaft, die European Working Group on Sarcopenia in Older People (EWGSOP), veröffentlichte im Jahr 2010 eine Definition des Krankheitsbildes Sarkopenie. Im Jahr 2018 wurde diese Begriffsbestimmung auf Grundlage der aktuellen Wissensbasis nochmal aktualisiert und wird im Folgenden vorgestellt (1).

Welche Zeichen können auf eine Sarkopenie hindeuten?

Das Hauptsymptom der Sarkopenie ist eine verminderte Muskelkraft. Eine geringe Greifkraft wiederum ist ein verlässlicher Hinweis für das Sturzrisiko einer Person (2). Fällt in der Untersuchung eine verminderte Muskelkraft auf, gibt dies schon Anlass für die Verdachtsdiagnose Sarkopenie (1). Zudem ist die körperliche Leistungsfähigkeit insgesamt verringert, das zeigt sich z. B. in einer langsameren Gehgeschwindigkeit oder einer insgesamt eingeschränkten Mobilität, z. B. beim Aufstehen und Hinsetzen.

Welche Ursachen für Sarkopenie sind bekannt?

Sarkopenie ist eine typische Erkrankung des Alters, kann aber auch bereits früher auftreten (1). Es gibt viele Faktoren, die eine Rolle spielen können, z. B. die Ernährung, körperliche Inaktivität und andere zugrundeliegende Krankheiten, z. B. neurologische Erkrankungen (1).

Eine proteinhaltige Ernährung ist im Alter für die Muskulatur sehr wichtig. Rückenzentrum Am Michel
Ab einem Alter von 60 gilt als Faustregel: täglich 1g Eiweiß pro kg Körpergewicht. Ideal sind Kombinationen aus pflanzlichem und tierischem Eiweiß.

Eine altersbedingt reduzierte Eiweißproduktion des Körpers und Hormone scheinen ebenfalls eine Rolle zu spielen (3). Es gibt Hinweise darauf, dass Patient*innen mit rheumatoider Arthritis ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Sarkopenie haben (4).

Wie wird eine Sarkopenie festgestellt?

Es gibt verschiedene Fragebögen, die eingesetzt werden, um eine Sarkopenie festzustellen, z. B. den Fragebogen SARC-F (1).

© Dynamometer – Rückenzentrum Am Michel

Die Greifkraft kann einfach über ein handliches Gerät, ein sogenanntes Dynamometer, bestimmt werden. Dieses misst, wie stark ein Mensch mit der Hand zudrücken kann. Der Verdacht auf Sarkopenie besteht bei einer gemessenen Greifkraft von unter 27 kg bei Männern und unter 16 kg bei Frauen (1).

Liegt die Gehgeschwindigkeit im Test unter 0,8 Metern pro Sekunde, ist das ebenfalls ein Hinweis auf eine mögliche Sarkopenie (1, 2). Soll die Muskelmasse genauer bestimmt werden, kann eine sogenannte Bio-Impedanz-Analyse durchgeführt werden (1) oder auch eine DXA-Messung (1, 2), wo niedrig dosierte Röntgenstrahlen eingesetzt werden, um Informationen über die Körperzusammensetzung zu erhalten. Bei anderen Erkrankungen, wie z. B. der Osteoporose, ist die DXA-Messung bereits ein fester Bestandteil der Untersuchung. DXA steht für Dual Energy X-Ray Absorptiometry.

Sarkopenie und Übergewicht

Eine Sonderform der Sarkopenie tritt bei Menschen mit starkem Übergewicht (Adipositas) auf und wird als sarkopene Adipositas bezeichnet. Aufgrund des Übergewichtes ist es schwieriger, die Sarkopenie gleich zu erkennen (5). Hier sollten Ärzte und Ärztinnen besonders aufmerksam sein, um eine Sarkopenie nicht zu übersehen.

Was kann bei Sarkopenie getan werden?

Bewegung, eine eiweißreiche Ernährung sowie ggf. die Einnahme von Vitamin D werden Menschen mit Sarkopenie empfohlen. Personen mit einem erhöhten Sturzrisiko sollten auch ihren Gleichgewichtssinn trainieren (6).

Studien belegen: Krafttraining verbessert die Muskelkraft

1. Eine systematische Übersichtsarbeit fasste die Ergebnisse von 14 Studien mit insgesamt über 560 älteren Erwachsenen mit Sarkopenie zusammen. Das Ergebnis: Durch Krafttraining verbesserte sich unter anderem die Muskelkraft, z. B. der Kniestreckmuskulatur und die Greifkraft. Zudem erhöhte sich die Gehgeschwindigkeit, die Körperfettmasse nahm ab (7). In den Studien kamen verschiedene Formen des Krafttrainings zum Einsatz. So wurden z. B. Übungen mit dem eigenen Körpergewicht durchgeführt, mit Widerstandbändern, Hanteln oder an Kraftgeräten.

Kraftbetontes Training verbessert die Muskelkraft im Alter erheblich. Rückenzentrum Am Michel
Kraftbetontes Training verbessert die Muskelkraft im Alter erheblich.

Trainiert wurde ein- bis dreimal pro Woche, die Intensität lag zwischen 40 und 80 Prozent der maximalen Kraft. Es gibt Hinweise darauf, dass eine höhere Anstrengung beim Krafttraining sinnvoll ist (8).

2. Eine hohe Intensität des Trainings wird auch in einer weiteren großen Überblicksstudie empfohlen. Die Wirksamkeit eines Krafttrainings zur Verbesserung von Muskelkraft, -masse und körperlicher Fitness konnte wissenschaftlich gut bewiesen werden. Die Trainingsintensität sollte gerne bei rund 80 Prozent des Einwiederholungsmaximums liegen. Das Einwiederholungsmaximum ist dasjenige Gewicht, das genau einmal in guter Qualität bewegt werden kann, danach ist die Muskulatur ermüdet.
Der Wert von zusätzlichen Nahrungsergänzungsmitteln zum Training ist noch nicht ganz geklärt, hier scheint es derzeit nur eine begrenzte wissenschaftliche Beweiskraft (Evidenz) zu geben (9).

Was ist aber mit Menschen, die aus verschiedenen Gründen nur eingeschränkt trainieren können und hohe Trainingsintensitäten somit schwer erreichen können?
Die gute Nachricht ist: Auch ein weniger anstrengendes Training bringt Verbesserungen der Muskelkraft mit sich.

Mit dem Theraband kann die Muskelkraft verbessert werden. Rückenzentrum Am Michel
Therabänder sind vielfältig einsetzbar.

3. Eine aktuelle Übersichtsarbeit aus 13 hochwertigen Studien mit insgesamt knapp 570 älteren Erwachsenen kommt zu dem folgenden Schluss: Ein Training mit elastischen Bändern für 40 bis 60 Minuten an mindestens drei Tagen die Wochen für mindestens zwölf Wochen ist empfehlenswert für ältere Menschen mit Sarkopenie. Positive Effekte waren eine verbesserte Greifkraft, eine schnellere Gehgeschwindigkeit sowie ein besseres Verhältnis der Muskelmasse im Vergleich zur Körpergröße (10).

Fazit

Wenn Sie oder Personen aus Ihrem Freundes- oder Familienkreis eine Muskelschwäche bei Ihnen vermuten, macht es Sinn, dieses Thema mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin zu besprechen. Es gibt viele Maßnahmen, die Sie bei bestehender Sarkopenie oder auch vorbeugend ergreifen können, nämlich regelmäßiges kraftbetontes Training zwei- bis dreimal pro Woche, eine Ernährung mit ausreichend Proteinen (Eiweißen) und ggf. Gleichgewichtstraining, wenn Sie sich unsicher auf den Beinen fühlen oder schon gestürzt sind.


Literatur:

(1) Cruz-Jentoft AJ, Bahat G, Bauer J, Boirie Y, Bruyère O, et al. 2019. Sarcopenia: revised European consensus on definition and diagnosis. Age Ageing. 48, 1:16-31 Volltext frei

Link: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30312372/ [Zugriff am 29.03.2023]

(2) Schaap LA, van Schoor NM, Lips P, Visser M. 2018. Associations of Sarcopenia Definitions, and Their Components, With the Incidence of Recurrent Falling and Fractures: The Longitudinal Aging Study Amsterdam. J Gerontol A Biol Sci Med Sci. 73, 9:1199-1204 Volltext frei

Link: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29300839/ [Zugriff am 30.05.2023]

(3) Sumbul A, Garcia, JM. 2014. Sarcopenia, Cachexia and Aging: Diagnosis, Mechanisms and Therapeutic Options. Gerontology. 60, 4: 294–305 Volltext frei

Link: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4112511/ [Zugriff am 01.05.2023]

(4) Deutsche Rheuma-Liga. 5. Februar 2020. Rheumatoide Arthritis erhöht Risiko für Sarkopenie.

Link: https://www.rheuma-liga.de/unser-einsatz/rheumaforschung/aktuelles-aus-der-rheumaforschung/detailansicht/rheumatoide-arthritis-erhoeht-risiko-fuer-sarkopenie [Zugriff am 30.05.2023]

(5) pt, Zeitschrift für Physiotherapeuten. 5. Mai 2023. Fachleute warnen vor verstecktem Muskelschwund bei Adipositas.

Link: https://physiotherapeuten.de/news/2023/05/fachleute-warnen-vor-verstecktem-muskelschwund-bei-adipositas/[Zugriff am 30.05.2023]

(6) Hillienhof A. 2018. Sarkopenie: Neuer Diagnoseschlüssel für altersbedingten Muskelabbau. Dtsch Arztebl. 115, 8: A-352 / B-300 / C-300

Link: https://www.aerzteblatt.de/archiv/196467/Sarkopenie-Neuer-Diagnoseschluessel-fuer-altersbedingten-Muskelabbau [Zugriff am 01.05.2023]

(7) Chen N, He X, Feng Y, Ainsworth BE, Liu Y. 2021. Effects of resistance training in healthy older people with sarcopenia: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Eur Rev Aging Phys Act. 18, 1:23 Volltext frei

Link: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34763651/ [Zugriff am 30.05.2023]

(8) Peterson MD, Rhea MR, Sen A, Gordon PM. 2010. Resistance Exercise for Muscular Strength in Older Adults: A Meta-Analysis. Ageing Res Rev. 9, 3: 226–37 Volltext frei

Link: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2892859/ [Zugriff am 01.05.2023]

(9) Beckwée D, Delaere A, Aelbrecht S, Baert V, Beaudart C, et al. 2019. Exercise Interventions for the Prevention and Treatment of Sarcopenia. A Systematic Umbrella Review. J Nutr Health Aging. 23, 6:494-502

Link: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31233069/ [Zugriff am 01.05.2023]

(10) Zhao H, Cheng R, Song G, Teng J, Shen S, et al. 2022. The Effect of Resistance Training on the Rehabilitation of Elderly Patients with Sarcopenia: A Meta-Analysis. Int J Environ Res Public Health. 19, 23:15491 Volltext frei

Link: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9739568/ [Zugriff am 01.05.2023]

Autor: Anna Palisi

Die Physiotherapeutin Anna Palisi verfügt über 11 Jahre Berufserfahrung und arbeitet seit 2017 im Rückenzentrum Am Michel. Aktuell lässt sie sich zur CRAFTA-Therapeutin (Cranio Facial Therapy Academy) ausbilden.

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