Wie sich Schlaf und Schmerz gegenseitig beeinflussen.

Im Rahmen der regelmäßig im Rückenzentrum Am Michel stattfindenden Vortragsreihe: „Schmerzen verstehen“ informierte die Diplom Psychologin Tanja Dörner die Zuhörer über die Auswirkungen und Zusammenhänge von Schlafstörungen und Schmerzen. Im folgenden lesen Sie eine Zusammenfassung ihres Vortrages.

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Die meisten kennen das…, man kann schlecht einschlafen, wacht mitten in der Nacht mehrmals auf oder liegt längere Zeit wach, grübelt herum und findet keinen erholsamen Schlaf. Am nächsten Morgen fühlt man sich erschöpft und ist unkonzentriert (primäre Insomnie genannt).

Zum Glück vergehen diese Phasen meist wieder von allein, bei einigen von uns gehören Schlafstörungen jedoch zum Leben dazu und sind zu einem echten Problem geworden.

Und natürlich kennen wir auch Rückenschmerzen, fast jeder hatte schon einmal eine Schmerzepisode. In den meisten Fällen gehen diese Schmerzen von allein wieder weg, manchmal halten sie sich aber hartnäckig.

Zwei Phänomene, die jedem bekannt vorkommen werden.

Wussten Sie, dass Schmerzen und schlechter Schlaf häufig gemeinsam auftreten, sich gegenseitig beeinflussen und nicht selten einander sogar verstärken und so die Behandlungserfolge beeinträchtigen?

Doch eins nach dem anderen…

Was ist eigentlich Schlaf?

Circa 1/3 unseres Lebens verbringen wir schlafend.
Schlaf ist ein hochkomplexer Prozess, wie man an der Hirnaktivität im EEG deutlich erkennen kann. Zum gesunden Schlaf gehören fünf Schlafstadien, die gemeinsam eine Schlafarchitektur ergeben. Diese entscheidet darüber, ob wir erholsam schlafen oder nicht.

  • Einschlafphase
  • Leichtschlafphase = Stadium 1-2
    (Die Hirnaktivität ist auf niedrige Frequenzen beschränkt. Das Bewusstsein ist abgeschaltet, Muskeln sind entspannt.)
  • Tiefschlafphase = Stadium 3-4
    (Phase der tiefsten körperlichen Entspannung.)
  • REM-Phase (Rapid-Eye-Movement/ Schnelle Augenbewegungen) = Stadium 5
    (Auch Traumschlaf genannt mit beschleunigter Gehirnaktivität, aber geringem Muskeltonus.)

Der Ablauf der Schlafphasen wiederholt sich bei Menschen mit gutem Schlaf mehrmals pro Nacht. Ein vollständiger Zyklus dauert etwa 90 Minuten. Am Anfang der Nacht dominiert der Tiefschlaf, gegen Ende der Schlafenszeit verweilen wir vermehrt in den REM-Phasen und bereiten uns auf das Aufwachen vor. Auch kurze Wachzeiten, an die man sich am nächsten Morgen jedoch nicht erinnern kann, gehören zu einem normalen Schlafzyklus.

 

 

 

 

 

Die Dauer des Schlafes ist individuell. Die meisten Menschen benötigen ungefähr 7 Stunden pro Nacht, weniger als 4 Stunden Schlaf wäre auffällig. Altersbedingt verändert sich sowohl die Menge an benötigtem Schlaf, als auch die Schlafarchitektur.

 

 

 

 

Warum ist Schlaf so wichtig?

Ausreichend Schlaf sorgt für:

  • Regeneration
  • Zellerneuerungsprozesse
  • Entwicklung des zentralen Nervensystems
  • Aktivierung des Immunsystems
  • Verbesserung der Gedächtnisleistung
  • Reduzierung der Alterungsprozesse
  • Überschreibung des Schmerzgedächtnisses während der Tiefschlafphase

Schmerzen können den Schlaf stören und so zu Schlafmangel führen, was einerseits zur Verschlechterung des Allgemeinwohls führt und zum anderen die Schmerzschwelle weiter senkt.

 

Nächtliches Wachliegen sorgt darüber hinaus für eine verstärkte Schmerzwahrnehmung.

 

Patienten verlieren sich im Katastrophisieren und überbewerten Schmerzdauer und -intensität. Als Folge stellen sich häufig Ängste und Depressionen ein.

Schnell gelangt man so in einen Teufelskreis. ( Schmerz führt zu Schlafmangel, Schlafmangel erhöht das Schmerzempfinden, … )

Knapp 60% der befragten Rückenschmerzpatienten gaben an, unter verringertem Gesamtschlaf (5 Stunden) mit einem kürzeren Tiefschlafanteil und 2-3 maligen Aufwachphasen zu leiden.

Es ist daher unerlässlich, im Rahmen eines länger anhaltenden Rückenschmerzes auch die Symptome von Schlafstörungen zu erkennen und zu behandeln.

Entspannungsübungen, in seltenen Fällen Medikamente und einige (nachfolgend genannte) Maßnahmen sorgen nicht nur für einen besseren Schlaf, sondern beeinflussen auch positiv den Schmerz.

Abschließend sei noch erwähnt, dass wir versuchen müssen, die Anhänglichkeit zu den nächtlichen Gedanken, die uns den Schlaf rauben, zu verlieren. Mit dem Schmerz ist es dasselbe.
Nehmen Sie also den Druck von sich selbst, manchmal funktionieren wir einfach nicht so, wie wir wollen – aber das vergeht eben auch wieder.

Was kann man selbst für einen guten Schlaf tun?

  1. Halten Sie jeden Tag regelmäßige Aufsteh- und Zubettgeh-Zeiten ein.
  2. Machen Sie kein Nickerchen tagsüber.
  3. Ältere sollten möglichst nur einen längeren Mittagsschlaf halten.
  4. Trinken Sie zwei Stunden vor dem Zubettgehen keinen Alkohol mehr.
  5. Trinken Sie 4-8 Stunden vor dem Zubettgehen keinen Kaffee mehr.
  6. Rauchen Sie nicht mehr nach 19 Uhr abends.
  7. Drei Stunden vor dem Zubettgehen sollten Sie keine größeren Mengen an Essen und/oder Trinken zu sich nehmen.
  8. Vermeiden Sie körperliche Überanstrengung nach 18 Uhr.
  9. Gestalten Sie Ihre Schlafumgebung angenehm und schlaffördernd (Temperatur, Licht, Geräusche).
  10. Schaffen Sie zwischen Ihrem Alltag und dem Zubettgehen eine „Pufferzone“.
  11. Legen Sie Ihr Smartphone/ Ihren PC mind. 1,5 Stunden vor dem Schlafengehen zur Seite oder schalten Sie die Geräte zumindest auf Nachtmodus.
  12. Legen Sie sich ein regelmäßiges „Zubettgeh-Ritual“ zu.
  13. Wenn Sie nachts aufwachen, sollten Sie nichts essen.
  14. Setzen Sie sich keinem hellen Licht aus, wenn Sie nachts wach werden und aufstehen müssen.
  15. Vermeiden Sie es, nachts auf die Uhr zu schauen.

Unterstützende Verhaltensregeln, die eingehalten werden sollen:

  1. Das Zubettgehen ist nur erlaubt, wenn der Mensch müde ist und glaubt, einschlafen zu können.
  2. Das Bett darf nur zum Schlafen genutzt werden.
  3. Der Mensch muss bei Einschlafproblemen nach einer festgelegten Zeit (ca. 15-20 Minuten) sowohl das Bett als auch das Schlafzimmer wieder verlassen und so lange aufbleiben, bis erneut echte Müdigkeit eintritt.
  4. Das morgendliche Aufstehen erfolgt immer zur gleichen Zeit, unabhängig davon, wie gut oder schlecht der Schlaf war.
  5. Schlafen am Tage ist nicht gestattet.

Tipps zum downloaden und ausdrucken.


Versäumen Sie nicht unsere kostenlose, regelmäßig stattfindende Vortragsreihe zum Thema „Schmerzen verstehen“. Alle Termine finden Sie auf unserer Homepage.

Autor: Carina Mallwitz

Redaktion Rückhalt I Der Blog vom Rückenzentrum

13 Gedanken zu „Wie sich Schlaf und Schmerz gegenseitig beeinflussen.“

  1. Moin, Moin!
    Sehr schöner und übersichtlicher Artikel! Das Thema Schlaf und Schmerz wird meiner Erfahrung nach viel zu wenig beachtet. Deshalb habe ich mich über diesen Artikel besonders gefreut.

    Meiner eigenen ärtzlichen bzw. osteopahtihischen Erfahrungen nach treten Schlafstörungen und Schlafmangel bei Patienten extrem häufig auf. Durch die Verbesserung der Schlafqualiät und Schlafdauer werden die Selbsheilungskräfte des Körpers „natürlich“ angeregt. Dabei helfen oft kleinste Optimierungen in der Vehaltensweise wie Sie bei euch in der Liste auftauchen manchmal Wunder.

    Praxis-Tipp:
    Smartphones und PCs senden ein blaues Licht aus, welches uns wach macht. Daher empfehle ich mind. 1,5 h vor dem Schlafengehen darauf zu verzichten. Wer das nicht schafft: Manche Handys (z.B. Iphone) haben einen Nachtmodus, der das blaue Licht ausschaltet. Den kann man sogar so programmieren, dass er automatisch zu einer bestimmten Zeit eingeschaltet wird.

    Meiner Meinung nach sollte fast jeder Patient nach Schlafdauer und Schlafqualität befragt werden, da sich Schlafmangel auf die unterschiedlichsten Erkrankungen negativ auswirken kann.

    Beste Grüße aus Kiel

    Dr. med. Artur Teichgräber

    1. Hallo Herr Dr. Teichgräber. Vielen Dank für Ihren freundlichen Kommentar und insbesondere für den guten Tipp, das blaue Licht von Smartphones und PC´s rechtzeitig vor dem Schlafengehen zu drosseln. Diesen Punkt werden wir mit auf unsere Liste nehmen. Viele Grüße nach Kiel, Carina Mallwitz

  2. Hallo Frau Mallwitz,

    vielen Dank für diesen ausführlichen und aufschlussreichen Artikel über Schmerzen und Schlaf. Der Zusammenhang ist durchaus interessant. Ich denke, dass das Vorkommen auch sehr häufig ist.
    Ich betrachte das Ganze eher aus Sicht der Rückenschmerzen, die natürlich auch im Schlaf auftreten oder mit dem Schlaf zusammenhängen.

    Herzlichen Dank auch für die praktischen Tipps. Diese habe ich ich mir gleich ausgedruckt.

    Mit Besten Grüßen,
    Gerd Kretzschmar

  3. Hallo liebe Frau Mallwitz,

    das Thema ist meiner Meinung nach wirklich äußerst wichtig, denn gerade Schmerzpatienten leiden sehr häufig auch unter Schlafstörungen. In meinem Berufsalltag (ich arbeite in einer Apotheke und als Coach) höre ich das täglich.
    Naturgemäß kommen diese Leute dann zuerst in die Apotheke und wollen ein Schlafmittel, weil sie denken, dass damit dann das Problem gelöst ist. Doch dadurch kann sich sehr schnell eine Sucht entwickeln. Das ist leider den meisten nicht bewusst. Deshalb ist es so wichtig, dass man diesen Menschen einen Rat mitgibt, was sie selbst tun können, denn es gibt sehr viele alternative Möglichkeiten.
    Herzliche Grüße
    Barbara

    1. Liebe Frau Schönfeld. Vielen Dank für Ihren Hinweis, dass Schlafmittel die Ursache der Schlafstörungen nicht lösen können. Wir sehen in unserer Praxis täglich, wie viele Menschen unter diesem Problem leiden, es Ihnen aber an Lösungsmöglichkeiten fehlt. Daran arbeiten wir und versuchen mit Hilfe unserer Tipps, alternative Hilfestellungen aufzuzeigen. Viele Grüße Carina Mallwitz

  4. Sehr schöner und ausführlicher Beitrag.
    Das blaue Licht lässt sich standardmäßig auf vielen Smartphones herausfiltern, oder mit Hilfe von einigen kostenfreien Apps aus dem Playstore. Auf modernen Fernsehern lässt sich das blaue Licht ebenfalls herausfiltern. Dem einen oder anderen hilft es.

  5. Liebe Frau Mallwitz,

    vielen Dank für diesen ausführlichen und hilfreichen Artikel.

    Es stimmt, vor allem das Handy ca. 1 Std. vor dem Schlafengehen zur Seite zu legen oder ganz auf Flugmodus zu schalten hilft enorm. Das setze ich auch seit einiger Zeit um und ich habe z.B. weniger Kopfschmerzen.

    Alles Liebe,
    Ezgi

  6. Ein schöner übersichtlicher Artikel über das Thema Schlaf. Ein gesunder Schlaf ist so furchtbar wichtig und deswegen gefallen mir am meisten die praktischen Tipps von Ihnen. Man merkt, dass Sie sich sehr gut mit der Thematik auskennen.

  7. Hallo Frau Mallwitz,
    vielen Dank für diesen tollen Bericht.
    Er hat auch mir wieder weitere Erkenntnisse im Bereich Schlafen gebracht.
    Was mich allerdings wundert ist, dass Sie nicht wirklich auf das Thema „Schlafunterlage“ eingegangen sind.
    Kann es sein, dass Schmerzen auch auftreten können, weil die Matratze ergonomisch einfach nicht passt?
    Also den Körperformen entsprechend nicht funktioniert?
    Das würde ich, gerade im Bezug auf Rückenschmerzen, nicht außer Acht lassen.
    Wie stehen sie dazu?

    liebe Grüße Gabriele F.

    1. Hallo Frau F.

      Unseres Erachtens ist es sehr individuell, worauf sich der Einzelne wohl fühlt.
      Wichtig ist, dass man sich während des Schlafes gut entspannen kann.

      Auch die Europäische Leitlinien-Kommission zum „Nicht-spezifischen Rückenschmerz“ gibt keine medizinisch wissenschaftlich ableitbare Empfehlung für einen bestimmten Matratzentyp.

      Viele Grüße vom Rückenzentrum Am Michel.

  8. Ein wirklich schöner und übersichtlicher Artikel über das Thema Schlaf. Ein gesunder und erholsamer Schlaf ist sehr wichtig, weil sich daraus andere Probleme ergeben können. Daher gefallen mir die Praktischen Tipps. Man merkt, dass Sie sich sehr gut mit der Thematik auskennen.

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