{"id":4147,"date":"2023-03-27T15:58:01","date_gmt":"2023-03-27T13:58:01","guid":{"rendered":"https:\/\/ruecken-zentrum.de\/blog\/?p=4147"},"modified":"2023-03-30T18:00:40","modified_gmt":"2023-03-30T16:00:40","slug":"hypoalgesie-schmerzlindernde-effekte-der-bewegung","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.ruecken-zentrum.de\/blog\/2023\/03\/27\/aktuelles-aus-der-wissenschaft\/hypoalgesie-schmerzlindernde-effekte-der-bewegung\/","title":{"rendered":"Hypoalgesie: Schmerzlindernde Effekte der Bewegung"},"content":{"rendered":"
Bewegung hat zahlreiche positive Effekte<\/a>:<\/p>\n Dar\u00fcber hinaus ist auch bekannt, dass Bewegung schmerzlindernde Effekte hat (1), was im Fachjargon als bewegungsinduzierte Hypoalgesie<\/strong> bezeichnet wird.<\/p>\n Lassen Sie uns dieses interessante Ph\u00e4nomen einmal genauer kennen lernen.<\/p>\n Hypoalgesie bedeutet, dass die Schmerzempfindlichkeit herabgesetzt wird und bewegungsinduziert hei\u00dft, dass diese Schmerzlinderung durch Bewegung herbeigef\u00fchrt wurde.<\/p>\n In Studien verabreichen die Forschenden den Studienteilnehmer*innen vor einer Sporteinheit einen Reiz. Dieser kann mechanisch sein, wie Druck, oder auch ein Temperaturreiz. Es wird gemessen, ab welcher Intensit\u00e4t dieser Reiz als schmerzhaft empfunden wird. Bei der zweiten Messung nach der Sporteinheit m\u00fcssen in der Regel st\u00e4rkere Dr\u00fccke oder h\u00f6here Temperaturreize gegeben werden, um einen Schmerz zu provozieren, als zuvor.<\/p>\n Wie die Hypoalgesie im letzten Detail funktioniert, dar\u00fcber besteht in der Fachwelt noch kein Konsens. Eine der wichtigsten Theorien besagt, dass das k\u00f6rpereigene Opioidsystem im K\u00f6rper ma\u00dfgeblich f\u00fcr das Ph\u00e4nomen verantwortlich ist. Auch das endocannabinoide System, das Immunsystem und weitere Mechanismen sind im Gespr\u00e4ch (1). Da die Hintergr\u00fcnde sehr komplex sind, konzentrieren wir uns in diesem Beitrag vor allem auf die praktischen Effekte. Bei Gesunden f\u00fchrt typischerweise schon eine einzige Einheit Ausdauer- oder Krafttraining zu einer bis zu 30 Minuten anhaltenden geringeren Empfindlichkeit f\u00fcr anschlie\u00dfende Schmerzreize (1). Bei Menschen mit chronischen Beschwerden des Bewegungsapparates ist diese Reaktion weniger klar. Teilweise funktioniert der oben beschriebene Ablauf genau gleich, es kann aber auch zu einer abgeschw\u00e4chten Wirkung kommen oder sogar zu einer paradoxen Situation, bei der nach der Sporteinheit fr\u00fcher ein Schmerz angegeben wird als davor (1). Typischerweise sind bei Menschen mit chronischen Schmerzen auch mehrere Bewegungseinheiten notwendig, um eine Hypoalgesie beobachten zu k\u00f6nnen (2). Auch psychosoziale Faktoren wie Schmerzkatastrophisierung und Gef\u00fchle von Hilflosigkeit k\u00f6nnen die Hypoalgesie abschw\u00e4chen (1). Dies sollte in zuk\u00fcnftigen Studien noch genauer untersucht werden (3).<\/p>\n Wir wissen also, dass die Hypoalgesie gut bei Menschen funktioniert, die aktuell nicht unter Schmerzen leiden und dass es bei Personen mit Schmerzen zu einer abgeschw\u00e4chten, mitunter sogar gegenteiligen Wirkung kommen kann. Wichtig zu wissen ist, dass eine Schmerzverst\u00e4rkung nach dem Training in der Regel keinen Anlass zur Sorge darstellt, sondern eher als Anpassungsreaktion auf die k\u00f6rperliche Belastung verstanden werden sollte. Ein Aufflammen der Schmerzen nach dem Sport kann bewirken, dass Betroffene aus Angst wieder aufh\u00f6ren, sich zu bewegen. Dies kann zu k\u00f6rperlicher Inaktivit\u00e4t und in der Folge zu einer Dekonditionierung f\u00fchren \u2013 man wird immer unfitter. Das Resultat ist nicht selten mehr Schmerz \u2013 ein Teufelskreis.<\/p>\n Menschen \u00fcber den Wirkmechanismus der Hypoalgesie vorab zu informieren, kann daher helfen und deren positiven Effekt verst\u00e4rken.<\/p>\n <\/a><\/p>\n In einer Studie wurden 40 Gesunde in zwei Gruppen aufgeteilt: W\u00e4hrend die Kontrollgruppe eine allgemeine Information \u00fcber Sport und Schmerz erhielt, wurden die Personen der Interventionsgruppe gezielt \u00fcber die\u00a0Hypoalgesie aufgekl\u00e4rt. Vor und nach einer sportlichen Einheit (20 Minuten Fahrradergometer) wurde die Toleranz f\u00fcr Druckreize gemessen. Beide Gruppen hatten sich im Anschluss an die Bewegungseinheit verbessert. Die Teilnehmer der Interventionsgruppe, die gezielt \u00fcber die\u00a0Hypoalgesie informiert wurde, verbesserte sich deutlicher (4).<\/p>\n F\u00fcr das Ausma\u00df der Hypoalgesie scheint auch die \u00dcbungsintensit\u00e4t wichtig zu sein (5). Bei aerobem Training (z. B. Laufen, Fahrradfahren) sollte die Intensit\u00e4t bei 60 bis 75 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme liegen. (Die Messung der maximalen Sauerstoffaufnahme gibt es bereits als Funktion bei manchen Fitnessuhr-Herstellern (6)!)<\/em> <\/a><\/p>\n Diese Intensit\u00e4ten sind nat\u00fcrlich nicht f\u00fcr alle Personen erreichbar. Aber\u00a0es erscheint sinnvoll, das Training anstrengend zu gestalten, im Rahmen der eigenen M\u00f6glichkeiten\u00a0(z. B. mit dem\u00a0Milon-Zirkeltraining<\/a>).<\/p>\n Der K\u00f6rper verf\u00fcgt \u00fcber wirksame Mechanismen zur Schmerzlinderung. Eine Information f\u00fcr Patient*innen \u00fcber die Existenz der Hypoalgesie ist sinnvoll. Gerade Menschen, die anf\u00e4nglich eine unerw\u00fcnschte Schmerzverst\u00e4rkung nach dem Training erleben, k\u00f6nnen so besser \u201eabgeholt\u201c werden und erhalten wichtiges Wissen, um Reaktionen ihres K\u00f6rpers auf Sport und Bewegung besser einordnen zu k\u00f6nnen. Auch hier gilt: Dranbleiben ist das Motto. Denn: Anders als bei Menschen, die keine Schmerzen haben, brauchen Menschen mit Schmerzen in der Regel mehr Geduld und Zeit, um eine Hypoalgesie zu erreichen. 1) Rice D, Nijs J, Kosek E, Wideman T, Hasenbring MI, et al. 2019. Exercise-Induced Hypoalgesia in Pain-Free and Chronic Pain Populations: State of the Art and Future Directions. J Pain. 20, 11:1249-66 Volltext frei <\/strong>https:\/\/pubmed.ncbi.nlm.nih.gov\/30904519\/<\/a> [Zugriff am 17.01.2023]<\/p>\n 2) Song JS, Yamada Y, Kataoka R, Wong V, Spitz RW et al. 2022. Training-induced hypoalgesia and its potential underlying mechanisms. Neuroscience & Biobehavioral Reviews. 141: 104858\u00a0https:\/\/pubmed.ncbi.nlm.nih.gov\/36096206\/<\/a> [Zugriff am 17.01.2023]<\/p>\n 3) Munneke W, Ickmans K, Voogt L. 2020. The Association of Psychosocial Factors and Exercise-Induced Hypoalgesia in Healthy People and People With Musculoskeletal Pain: A Systematic Review. Pain Pract. 20, 6:676-94\u00a0https:\/\/pubmed.ncbi.nlm.nih.gov\/32255268\/<\/a> [Zugriff am 24.01.2023]<\/p>\n 4) Jones MD, Valenzuela T, Booth J, Taylor JL, Barry BK. 2017. Explicit Education About Exercise-Induced Hypoalgesia Influences Pain Responses to Acute Exercise in Healthy Adults: A Randomized Controlled Trial. J Pain. 18, 11:1409-16\u00a0https:\/\/pubmed.ncbi.nlm.nih.gov\/28778814\/<\/a> [Zugriff am 17.01.2023]<\/p>\n 5) Wu B, Zhou L, Chen C, Wang J, Hu LI et al. 2022. Effects of Exercise-induced Hypoalgesia and Its Neural Mechanisms. Med Sci Sports Exerc. 54, 2:220-31 Volltext frei<\/strong>\u00a0https:\/\/pubmed.ncbi.nlm.nih.gov\/34468414\/<\/a> [Zugriff am 26.01.2023]<\/p>\n 6) Polar. Das Geheimnis der maximalen Sauerstoffaufnahme entschl\u00fcsselt.\u00a0https:\/\/support.polar.com\/de\/define-vo2max<\/a> [Zugriff am 01.03.2023]<\/p>\n 7) Koltyn KF. 2002. Exercise-Induced Hypoalgesia and Intensity of Exercise. Sports Medicine. 32, 477\u201387 https:\/\/link.springer.com\/article\/10.2165\/00007256-200232080-00001<\/a> [Zugriff am 17.01.2023]<\/p>\n 8) Kuithan P, Rushton A, Heneghan NR. 2022. Pain modulation through exercise : Exercise-induced hypoalgesia in physiotherapy. Schmerz. 36, 4:237-41\u00a0https:\/\/pubmed.ncbi.nlm.nih.gov\/35166902\/<\/a> [Zugriff am 17.01.2023]<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Hypoalgesie…, ein sperriger Begriff mit einer tollen Wirkung: Durch Bewegung wird die k\u00f6rpereigene \u201eSchmerzapotheke\u201c aktiviert.\n
Was steckt hinter dem Begriff: Hypoalgesie?<\/strong><\/h5>\n
Wie misst man die Hypoalgesie?\u00a0<\/strong><\/h5>\n
Die Erkl\u00e4rung: Aktivierung k\u00f6rpereigener \u201eSchmerzmittel\u201c<\/strong><\/h5>\n
\n(Interessierte, die tiefer in dieses spannende Thema eintauchen m\u00f6chten, finden im Literaturverzeichnis Links zur weiteren Lekt\u00fcre.)<\/em><\/p>\nHypoalgesie unterschiedlich bei Patienten und Gesunden<\/strong><\/h5>\n
Mehr Schmerz nach dem Training \u2013 was nun?<\/strong><\/h5>\n
Intensit\u00e4t der \u00dcbungen<\/strong><\/h5>\n
\nBeobachtungen zeigen, dass hochintensives Training mit Ausdauerleistungen von 200 Watt oder mehr zu einer Hypoalgesie f\u00fchren (7).<\/p>\nBeachte: Wer jetzt seine Trainingsintensit\u00e4t steigern m\u00f6chte, sollte sich ggf. zu Beginn professionell unterst\u00fctzen lassen. Wichtig ist, die Aktivit\u00e4t ma\u00dfvoll auf die individuellen F\u00e4higkeiten und Bed\u00fcrfnisse abzustimmen und das Training allm\u00e4hlich zu steigern, um \u00dcberlastungen und Verletzungen zu vermeiden.<\/pre>\n
Fazit<\/strong><\/h5>\n
\nWeitere Forschung zu diesem spannenden Thema wird dann auch\u00a0Aufschluss \u00fcber die optimalen Trainingsparameter, wie z. B. der idealen H\u00e4ufigkeit und Intensit\u00e4t des Trainings geben k\u00f6nnen (5, 8).<\/p>\n
\nAnmerkung:<\/h5>\n
Literatur:<\/h5>\n
\n<\/p>\n","protected":false},"author":27,"featured_media":4157,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[1,17,12],"tags":[23,52,174,7],"yoast_head":"\n